„Das ist der Klang eines sehr, sehr ausgelasteten Webezeitplans“, sagt David Gallimore, Geschäftsführer von The Luxury Fabrics Group, und öffnet die Tür zum „Maschinenraum“ des in Bradford ansässigen Unternehmens. Die Anwesenden überschwemmt ein Tsunami aus Geräuschen, der an das Klackern von tausend altmodischen Schreibmaschinen erinnert.
„Es laufen fast alle Maschinen, da wir aktuell mit der Lieferung großer Mengen Stoff in den Nahen Osten beschäftigt sind, der nach Italien und Japan unser drittgrößter Markt ist.“ Die Maschinen in diesen höhlenartigen Räumen, die übrigens zu einem großen Teil von dem ehemaligen deutschen Kampfflugzeughersteller Dornier stammen, laufen während der gesamten Betriebszeit von Luxury Fabrics zwischen 6 und 22 Uhr im Schnellgang – kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viele Marken mit beeindruckender Tradition und großem Vermächtnis unter dem Dach dieses Unternehmens vereint sind. Die 1819 gegründete Marke John Foster erntete auf der Londoner Industrieausstellung von 1851 Beifall für ihre Stoffe aus Alpakawolle und Mohair, während die Firma William Halstead, die 1877 hierher zog, mit feiner Kammwolle webt und die internationalen Moderiesen beliefert.
Kynoch 1788 ist ein Geschäftsbereich von Luxury Fabrics im schottischen Lymehall. Seine Mitarbeiter sammelten während des Ersten Weltkrieges Torfmoos aus der Umgebung, trockneten es in der aufsteigenden Wärme der Spinnerei und schickten es dann als Bandagen und Watte (Moos besitzt antibakterielle Eigenschaften) an Militärkrankenhäuser. Charles Clayton, Reid & Taylor sowie Selka gehören ebenfalls dazu und die gesamte Gruppe ist mittlerweile unter dem Markennamen Standeven vereint. Im Jahr 2016 wurde eine exklusive Partnerschaft eingegangen, in deren Rahmen die seltene und luxuriöse Wolle von in Australien weidenden Escorial-Schafen in das Repertoire des Unternehmens aufgenommen wurde. Das Escorial-Schaf ist nur drei Viertel so groß wie ein Merinoschaf, weshalb der Ertrag geringer ausfällt, aber seine Korkenzieherfasern sorgen für hervorragende Elastizität und Dehnbarkeit.
Gallimore führt uns zu einer der vielen Lärmquellen, einer Schärmaschine, die von einem senkrechten Spulengatter mit Fäden gespeist wird. Eine einzelne Webkette hat normalerweise etwa 5.000 Enden – bei gröberen oder feineren Garnen sind es weniger oder mehr –, weshalb schrittweise immer jeweils 200 Enden an die Schärtrommel übergeben werden, bevor sie auf einen Kettbaum abgerollt werden. Dieser Vorgang wird auch als Sektionsschären bezeichnet. Der gesamte Ablauf wird von erfahrenen Mitarbeitern mit Adleraugen überwacht: „Präzise Winkel und Spannungen sind beim Schären und Weben durchgehend von entscheidender Bedeutung“, betont Gallimore.
Diese Präzision zeigt sich auch im nächsten Raum entlang der Produktionskette, in dem wir komplexe Muster sehen – in einem Fall etwa Hahnentritt, überlagert mit breiteren Karos –, die auf den Webstühlen umgesetzt werden. Die Interaktion zwischen den hauseigenen Designern und den Webstühlen ist eine perfekte Aufteilung von Kreativität und Akribie. Nachdem ein Muster festgelegt wurde, werden von Hand komplexe mathematische Sequenzen aufgeschrieben, die festlegen, wie die Enden der Schussfäden mit denen der Kette verflochten werden, und auf deren Grundlage die Bediener dann die Maschinen programmieren. Gleichzeitig bestimmt ein Kettenplan, dessen Prinzip an die Stiftwalze einer selbstspielenden Kirmesorgel erinnert, in welcher Reihenfolge und bis zu welcher Höhe sich jeder Schaft heben soll.
Die daraus resultierenden Stoffe erhalten wunderbar gefühlvolle Namen, die sowohl semantisch als auch atmosphärisch nachklingen: „Black Storm bezeichnet feierliche Abendmode, Park Lane dagegen einen traditionellen urbanen Anzug aus Super 120s“, erklärt Gallimore. „Mit Snowdonia haben wir versucht, einen passenden Namen für Winterbekleidung zu finden, die man zum Beispiel tragen könnte, wenn man einen Berg besteigt…“
Schließlich betreten wir einen Ausbesserungsraum, in dem ein Team von Stopfern – Hütern eines weiteren uralten Handwerks aus der Welt der Wollverarbeitung – mit BinoMites vor den Augen maximalen Perfektionismus betreibt. „Das Ausbessern von Mängeln ist ein unumgänglicher Teil der Arbeit mit Naturfaser“, sagt Gallimore und deutet auf eine Reihe von Mitarbeitern, die winzige, feine, lose Fasern wieder in den Stoff stopfen. „Sie sorgen dafür, dass der Stoff sauber, frei von Verunreinigungen und makellos ist.“
Gallimore ist leidenschaftlicher Wollliebhaber und begeistert von den Vorzügen der Arbeit im traditionellen Kernland der britischen Wollindustrie. „Bei uns ist es ein klarer Fall: Warum sollten wir unseren Standort irgendwo anders haben?“, sagt er. „Die Gründungsväter dieser Textilunternehmen standen im Mittelpunkt der industriellen Revolution. Sie waren diejenigen, deren Mitarbeiter mit Mistgabeln und Schlagstöcken an den Toren standen, um zu verhindern, dass Maschinenstürmer eindringen und die neuen Gerätschaften zerstören konnten. Hier hat alles angefangen: Bradford war die Stadt der Wolle.“
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Die tieferen Gründe hierfür seien ähnlich wie bei gewissen Weinen, die in bestimmten Regionen der Erde angebaut würden. „Bei der Herstellung edler Weine geht es um Boden, Bedingungen und Terroir“, sagt er, „und einer der Gründe, warum die britische Wolltextilindustrie hier ansässig ist, lässt sich mit einem bloßen Blick aus dem Fenster erkennen: die atmosphärischen Bedingungen. Bevor es Klimaanlagen und Luftentfeuchter gab, hatte die natürliche Atmosphäre hier – dank der Lage diesseits der Pennines – genau den richtigen Feuchtigkeitsgehalt für die Wollverarbeitung. Es ist kein Zufall, dass auf dieser Seite der Pennines Wolle und auf der anderen Seite Baumwolle verarbeitet wird.“
Luxury Fabrics beschäftigt derzeit rund 250 Menschen. Junge Mitarbeiter für Wolle zu begeistern, gehört zu den wichtigsten Prioritäten des Unternehmens, um organisch zu wachsen. Entsprechend war man hocherfreut, als die kollektive Leidenschaft hier jüngst einen Motivationsschub erhielt. „Wir hatten vor Kurzem königlichen Besuch – Ihre königliche Hoheit Prinzessin Anne, der stellvertretende Lord Lieutenant, der High Sheriff, der Lord Mayor – und für unsere Mitarbeiter war das fantastisch“, sagt Gallimore. „Es hat sie wirklich erbaut, weil wir nicht jeden Tag die Gelegenheit haben, über unseren Stolz und unsere Leidenschaft zu sprechen. Alle Besucher gingen umher, stellten Fragen, zeigten echtes Interesse und so weiter – das sorgte bei vielen für eine stolzgeschwellte Brust. Die Mitarbeiter hatten das Gefühl, für ihre Fähigkeiten und Erfahrungen echte Anerkennung zu erfahren.“ Diese Fähigkeiten und Erfahrungen, auf die er anspielt, sind wahrhaft selten und wurden hart erarbeitet – für sie ist vielen Generationen zu danken.