Westaustralien ist ein Teil der Welt, in dem Weite und Raum eine andere Rolle spielen. Esperance, das im Süden des Landes liegt, macht da keine Ausnahme. Über weiten Ebenen sieht man die Sonne untergehen, die sich dabei endlos über den Südlichen Ozean auszubreiten scheint. Die Weite und die Umgebung sind von unvorstellbarem Ausmaß.
Nur zwei Kilometer im Landesinneren der Küste liegt die Farm „Ocean View“, die mit ihrem Namen dieses Gefühl zum Ausdruck bringt. „Ocean View“ war früher im Besitz von drei Amerikanern, von denen einer David Rockefeller hieß. 1969 ging „Ocean View“ in den Besitz der Familie Fowler über. Die westaustralische Regierung wollte damals mit ihrem Conditional Purchase Scheme (CP) Familien wie die Fowlers dazu ermutigen, in diese Gegend zu ziehen. Nach und nach haben die Fowlers das ursprüngliche Grundstück dann vergrößert. Heute verfügen sie über eine landwirtschaftliche Fläche von insgesamt 30.000 Hektar, was ungefähr der Größe Maltas entspricht.
(Links) Andrew Fowler von Ocean View.
Das Anwesen gehört heute vier Fowler-Familien. Die drei Brüder Andrew, Simon und Tim mit ihren jeweiligen Familien sowie ihre Eltern Richard und Elaine führen die Farm gemeinsam. In ihrem landwirtschaftlichen Mischbetrieb bauen sie auf zwei Dritteln der landwirtschaftlichen Nutzfläche Raps, Weizen und Gerste an. Auf dem übrigen Drittel weiden 40.000 Schafe sowie 2.000 Angus-Rinder. Das sind jedoch nicht die einzigen Tiere, die hier leben. Obwohl Voraussetzung für den Kauf des Landes war, die Hälfte des Landes als Lichtung zu belassen und einen Begrenzungszaun zu errichten, behielten Richard und Elaine an bestimmten strategischen Stellen das Buschland, sodass dort einheimische Pflanzen und Wildtiere einen Lebensraum finden konnten.
„Das Buschland haben wir an den Stellen gelassen, die sowieso niemals besonders ertragreich gewesen wären. Diese Flächen haben sich zu wirklich wichtigen natürlichen Wegen für die Wildtiere entwickelt. Das Buschland auf unserer Farm ist mit Buschland verbunden, das sich über Tausende Kilometer erstreckt“, meint Andrew. „Die Pflanzenarten, die dort wachsen, sind je nach Bodenart ganz unterschiedlich und tragen zu der Biodiversität bei, die wir hier haben. Es gibt viele Wildblumen und total viele Kanguruhus und Emus – das sind die größeren Wildtiere, die man sehen kann. Es gibt hier aber auch kleinere Beuteltiere und kleinere Insekten, die man nicht wirklich sieht, die in diesem Teil der Erde aber so zahlreich vorhanden sind. Wir haben wirklich Glück.“
Gallery
Die umweltbewussten Methoden wurden zwangsläufig von Generation zu Generation weitergegeben. Die heutige Generation mit Andrew, Simon und Tim sieht mittlerweile, welche ökologischen und finanziellen Vorteile es hat, sich um sein Land zu kümmern. “Wir betreiben eine Landwirtschaft, die so nachhaltig wie möglich ist. Wir wollen im Einklang mit der Natur arbeiten, unseren Einfluss so gering wie möglich halten und die Fruchtbarkeit des Bodens verbessern”, erklärt Andrew. Durch die Rotation zwischen Weideland, Raps und Weizen wachsen auf einem Drittel des Farmlandes immer kleebasierte Leguminosen, die dazu beitragen, die organische Substanz in der Erde zu erhöhen. Simon bemerkt: „Das kommt den Feldfrüchten zugute, macht aber auch die Erde wesentlich gesünder. Weidephasen machen unseren Betrieb deutlich nachhaltiger.“
Im Gebiet um Esperance stellt der Boden sowohl für die Farmer als auch für die Wildtiere ein Problem dar. Die Erde hier ist sandig, sehr trocken und kann kaum die lebensnotwendige Feuchtigkeit oder Nährstoffe speichern. Das Interesse der Fowlers an einem gesunden Boden ist somit nicht ungewöhnlich für diese Gegend. Das, was sie unternehmen, um die Bodenqualität auf ihrem Land zu verbessern, ist dagegen schon ziemlich außergewöhnlich. Neben der Weiderotation verteilen die Fowlers auch großflächig Lehm auf dem sandigen Boden. Der Lehm hilft dabei, die Erosion zu reduzieren, sodass ganz allmählich Pflanzen an Stellen wachsen können, wo man vorher noch nie welche gesehen hat. „Ocean View“ ist darüber hinaus ein Direktsaatbetrieb. Simon erklärt das Vorgehen bei der Fruchtrotation wie folgt: “Wir bearbeiten die Erde nicht, damit wir das Bodenprofil nicht beschädigen und der Boden nicht so erosionsanfällig ist.”

„Zu den wichtigsten Werten, die wir uns ansehen, gehört der Gehalt an organischem Kohlenstoff im Boden, den wir seit 20 Jahren analysieren“, sagt Andrew. „Für mich ist dies einer der wichtigsten Indikatoren für die Qualität unseres Bodens. Wir überlegen uns sehr intensiv, was wir tun können, um diese Messgröße zu verbessern. Ein hoher Gehalt an organischem Kohlenstoff ist gut für die Umwelt, weil wir damit Kohlenstoff im Boden binden. Darüber hinaus wird unsere Landwirtschaft dadurch robuster und widerstandsfähiger und kann schwierigen Jahreszeiten standhalten, in denen es trocken, windig oder nass sein kann.“
Seit 20 Jahren kümmert sich Simon auf der Farm um das Vieh, das hauptsächlich aus Merinoschafen besteht, die durchschnittlich eine Wolle von 21 Mikron liefern. 21 Mikron stellen einen idealen Faserdurchmesser dar für qualitativ hochwertige Strickware und weiche Kleidung, die man direkt auf der Haut tragen kann. Indem man die großen Schaf- und Rinderherden mit einem Zaun von der übrigen hier heimischen Vegetation trennt, ist das ursprüngliche Buschland, das gegenüber dem Anwesen liegt, geschützt, sodass Pflanzen und Tiere hier gut gedeihen können. Und trotz der weltweit wachsenden Nachfrage nach Wolle achtet Simon bewusst darauf, nicht zu viele Merinoschafe in seiner Herde auf dem Farmland weiden zu lassen, um das natürliche Gleichgewicht auf diesem Land nicht zu zerstören. „Momentan würden wir die Anzahl unserer Tiere nur erhöhen, wenn wir unsere Farm vergrößern würden.“
Auf „Ocean View“ wurde und wird viel gearbeitet. Dabei bleibt die Familie stets bescheiden, behält die Kapazitäten ihres Landes im Blick und überlegt, wie sie aktiv die Qualität ihres Bodens verbessern kann. Wie Andrew sagt: „Man kann nur mit den natürlichen Ressourcen landwirtschaftlich arbeiten, die einem zur Verfügung stehen. Wir versuchen zu schützen, was wir haben.“